Das bis dahin Undenkbare geschah im Oktober 1991: Die Spar- und Leihkasse Thun (SLT) war zahlungsunfähig. Die Kleinsparer hatten damals Glück: Sie konnten sich auf die gesetzlich vorgesehene Absicherung ihrer Spargelder in der Höhe von 30 000 Franken verlassen. Innert weniger Wochen erhielten sie insgesamt 19,4 Millionen Franken ausbezahlt. Bis der Konkurs über die SLT abgeschlossen war, dauerte es 14 Jahre. Am Schluss verblieben Schulden von 223 Millionen Franken, die nicht zurückgezahlt werden konnten. Seit letztem Herbst ist bekannt: Nicht nur Kleinbanken können schlecht geführt werden. Auch der Konkurs einer Grossbank liegt im Bereich des Möglichen: Die US-Bank Lehman Brothers und die isländische Kaupthing kollabierten, in der Schweiz retteten die Steuerzahler die UBS. Vor diesem Hintergrund beschlossen die eidgenössischen Räte eilends, den Schutz der Bankkunden zu verbessern. Seit 20. Dezember 2008 sind die Sofortmassnahmen in Kraft.
Garantiert das neue System, dass die Kunden einer zahlungsunfähigen Schweizer Bank tatsächlich einen Betrag von mindestens 100 000 Franken zurückerhalten? Keineswegs. Das zeigt ein Blick auf die nun geltende Regelung.
Kurzfristige Auszahlung nur bei Liquidität
Muss eine Bank Konkurs anmelden, soll ein Teil der Kunden-Guthaben innert weniger Tage aus den verfügbaren liquiden Mitteln ausbezahlt werden. Wie hoch dieser Betrag ist, legt das Gesetz nicht fest. Sondern die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) aufgrund der tatsächlich verfügbaren Mittel. Falls die betroffene Bank nicht nur überschuldet ist, sondern auch keine flüssigen Mittel mehr hat, greift diese Regelung ins Leere. Sparkapitalien, die über den eventuell sofort ausbezahlten Betrag hinausgehen, sind bis zu 100 000 Franken im Konkursverfahren privilegiert. Das gilt pro Bankkunde und nicht pro Konto. Dieser Schutz bewirkt, dass die Gelder der Sparer im Fall eines Konkurses bis maximal 100 000 Franken der zweiten Konkursklasse zugeteilt und somit privilegiert behandelt werden. Spargelder über diesem Betrag werden der dritten Konkursklasse zugewiesen, wo kaum mehr Chancen auf Rückerstattung bestehen.
Bevorzugt behandelt werden alle Einlagen unabhängig von der Kontoart sowie Kassenobligationen, sofern sie bei der Bank hinterlegt sind. Depotwerte wie Aktien, Anlagefonds oder die meisten strukturierten Produkte zählen nicht zur Konkursmasse und werden den Depotinhabern ausgehändigt. Im Konkurs privilegiert sind auch Gelder auf Freizügigkeits- und Säule-3a-Konten bis 100 000 Franken. Das heisst, dass die Privilegierung maximal 200 000 Franken betragen kann. Nur: In den meisten Konkursen kommen auch die in der zweiten Klasse privilegierten Gläubiger zu einem Totalverlust. Die Vorzugsbehandlung greift nur, wenn nach der Auszahlung der Pfandgläubiger, der Angestellten und der Sozialversicherungen noch Geld übrig bleibt.
Absicherung ist limitiert auf 6 Milliarden Franken
Garantieren, dass die Sparer im Falle eines Falles die zugesicherten 100 000 Franken auch wirklich erhalten, soll der Verein «Einlagensicherung der Schweizer Banken und Effektenhändler». Dieser Verein hat aber kein Geld. Er hat nur die Aufgabe, nach der Pleite einer Bank bei den übrigen Banken Geld einzutreiben. Alle Finanzinstitute mit Schweizer Banklizenz müssen – entsprechend ihrem Anteil an den von ihnen verwalteten privilegierten Einlagen – ihren Beitrag leisten. Der Höchstbetrag, den dieser Verein bei den Banken eintreiben soll, ist laut Gesetz beschränkt. Und zwar auf 6 Milliarden Franken. Das Total der theoretisch gesicherten Einlagen beträgt aber laut dem Finanzdepartement 353 Milliarden. Das heisst: Das Einlagensicherungssystem taugt höchstens beim Zusammenbruch einer kleinen bis mittleren Bank. Beim Konkurs von nur einer einzigen grösseren Bank reicht das Geld bei weitem nicht mehr aus.
Wie viel privilegierte Kundengelder die Credit Suisse und die UBS verwalten, bleibt offen. Die beiden Banken wollten auf Anfrage von saldo diese Zahlen nicht bekanntgeben. Anders die Migros-Bank: Bei ihr belaufen sich die gesicherten Einlagen auf 16,1 Milliarden Franken – mehr als 10 Milliarden über der Obergrenze, für die der Verein zuständig ist. Kollabiert also eine grössere Bank, müssen die Kunden damit rechnen, dass sie weniger als die versprochenen 100 000 Franken bekommen. Um die Absicherung der Spargelder zu erhöhen, sind die Banken neu verpflichtet, ständig Aktiven wie flüssige Mittel, Wertschriften oder Hypothekarforderungen in der Höhe von 125 Prozent der privilegierten Einlagen zu halten.
Einlegerschutz ist ein «Auslaufmodell»
Was ist diese Absicherung wert? Verschiedene Politiker und Konkursspezialisten bezweifeln die Wirksamkeit dieses Schutzes in einem grossen Konkursfall. Für den Solothurner SP-Ständerat Ernst Leuenberger ist klar: «Wer Sicherheit vorgaukelt, lügt die Leute an. Der Staat mit seinem bescheidenen Instrumentarium kann das Risiko nicht beseitigen.» Als «sehr hoch» stuft hingegen die Schweizerische Bankiervereinigung die Chancen ein, dass die Sparer selbst beim Kollaps einer Grossbank aufgrund dieser Bestimmung ihre privilegierten Einlagen erhalten. Das Finanzdepartement weiss, dass der Einlegerschutz erhebliche Mängel aufweist. Die Massnahmen gelten deshalb nur bis 31. Dezember 2010. Bis dahin soll die Sicherheit für die Sparer grundlegend neu geordnet werden.
Beat Bernet, Professor für Bankwirtschaft an der Universität St. Gallen, bezeichnet das heutige Einlegerschutzsystem als «Auslaufmodell». Im Auftrag des Bundes hat er Vorschläge für ein neues System ausgearbeitet. So viel verrät er dazu: Er sieht einen Einlegerschutz vor, der nicht durch einen simplen Verein, sondern durch den Bund betrieben wird. Mittels risikobasierter Prämien sollen die Banken einen Fonds vorfinanzieren, dessen Deckungskapital deutlich höher sein soll als die heutigen 6 Milliarden.
Staatsgarantie: Wo der Staat einspringt
Bankkunden, die für ihr Erspartes Sicherheiten suchen, die über den Einlegerschutz der Banken hinausgehen, legen ihr Geld mit Vorteil bei einer Kantonalbank mit Staatsgarantie an. Die Staatsgarantie ist betraglich nicht beschränkt. Die Waadtländer und Genfer Kantonalbank verfügen über keine Staatsgarantie, bei der Berner Kantonalbank wird sie bis 2012 schrittweise abgeschafft. Bei der Postfinance muss der Bund dafür sorgen, dass die Post zahlungsfähig bleibt, und allfällige Verluste ersetzen.